Der gebürtige Berliner und seit 1985 in Nürnberg lebende und arbeitende Diethard Riedel widmet sich als Künstler (seit 1983), als Gestaltungs- theoretiker (seit 2008) und als Historiker (seit 2009) der Spraykunst. Einer Kunstform, die auf der Zerstäubung von Farbe in zumeist mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbaren Farb- partikeln - sogenannten „Sprays“ - basiert und ob
nun manuell oder maschinell zerstäubt auf einem dreidimensionalen Malprozess beruht. Eine Kunstform, die ihre Wurzeln in der Höhlenmalerei der Steinzeit hat und in der Geschichte und zeitgenössischen Vielfalt der Moderne vielfältige Entwicklungslinien und mannigfaltige künstlerische Positionen aufweist.
Als vom Atelier kommender Künstler findet Riedel, wie so viele Künstler vor und neben ihm - abseits von Graffiti, Streetart, Sadografia und hyperdetaillierter Airbrushmalerei seine ganz eigene Position in der Spraykunst. Eine Spraykunst, in der Riedel zum einen Stile, Schulen, Bewegungen und Werkkonzepte der Moderne mit den einzigartigen und unverwechselbaren Eigenschaften von Sprays interpretiert und in die Zukunft weisend ins Heute transformiert. Eine Spraykunst, die Riedel zum anderen gleichfalls mit Sprays arbeitenden, nicht von der Straße, sondern vom Atelier kommenden Künstlern wie Man Ray und Wassily Kandinsky widmet. Eine Spraykunst, die getragen vom wesensimmanenten dreidimensionalen Malprozess und Sprühnebel und dem daraus resultierenden Unschärfe- und Transluzenzpotenzial in bisher mehr als 100 Werkreihen mündet. Eine Spraykunst, in der sich Riedel auch getragen vom Internet, von der digitalen Revolution und Globalisierung als Speerspitze der niemals endenden Avantgarde versteht. Eine Spraykunst, mit der Riedel seinen Beitrag dazu leistet, dass die Spraytechnik, ob nun manuell oder maschinell mit dem Airbrush, der Sprühpistole oder der Spraydose zerstäubt, in der Kunstwelt nicht mehr vornehmlich mit dem Graffiti und der Streetart verbunden wird, sondern auch für „klassische“ Künstler zu einem ohne negative Vorurteile behafteten, selbstverständlich eingesetzten und damit gleichberechtigten Medium wird.
Als Gestaltungstheoretiker arbeitet Riedel analog zu Wassily Kandinsky und Johannes Itten - auch an der Entwicklung einer auf den Spezifika der weitwinkligen Zerstäubung basierenden - die spraybildnerischen Elementarformen und sprayspezifischen Kontraste thematisierenden - Gestaltungslehre für Spraykunst. Diese systematisiert und visualisiert Riedel anhand seines Jahrzehnte langen spraykünstlerischen Schaffens und aufgrund seiner spraykunsthistorischen Expertise.
Als Historiker und Theoretiker entwickelt Riedel eine historisch saubere, theoretisch exakte und zukunftsfeste Gesamtsystematik. Begreift Riedel doch die Spraykunst als eigenständiges, auf den einzigartigen gestaltungstechnischen Eigenheiten und bildnerischen Potenzialen der weitwinkligen Zerstäubungstechnik beruhendes Genre. Beleuchtet Riedel die Geschichte der Spraykunst, die zum Einsatz kommenden Sprayinstrumente und die vielfältigen, bis ins Heute reichenden Entwicklungslinien. Identifiziert Riedel die von ihm so benannte „Spraymoderne“ als eigenständige, sich ab dem späten 19. Jahrhundert herausbildende Entwicklungslinie. Eine Strömung, die bis heute getragenen wird von mehreren Hundert, teils sehr namhaften Künstlern, die u. a. schon lange vor bzw. abseits des omnipräsenten Graffiti und der allgegenwärtigen Streetart - als klassische, wie Riedel es formuliert „nicht von der Wand, sondern von der Leinwand kommende“ Künstler mit weitwinklig zerstäubten Sprays arbeiten. Im Ergebnis zeigt Riedel mit seiner kunsthistorischen und zeitgenössischen Analyse die Wahrheit auf und bringt das längst überfällige
„Licht ins Dunkle“.